Windkraft
Es ist nicht alles Gold was glänzt...
Wie mit vielen Dingen im Leben, so ist es auch mit der Windkraft. Man muss sie kritisch hinterfragen! Das Für und Wider; Kosten und Nutzen; das Augenscheinliche und die tückischen Details...
Intensivpatient Stromversorgung
Detlef Ahlborn
Horst Heidsieck
Sehen Sie gerne Krankenhausserien? Dann kennen Sie ja die Situation
auf einer Intensivstation, wo die Vitalfunktionen des Patienten
überwacht und auf einem Monitor angezeigt werden. Der wichtigste
Parameter ist der Herzrhythmus, dessen Verlauf auf dem Bildschirm
groß angezeigt wird und der gleichförmig etwa 60-mal pro Minute
zwischen einem Maximum und einem Minimum hin und her schwingen
sollte – man nennt das einen Sinusrhythmus. Andere Parameter wie z.
B. Blutdruck und Sauerstoffsättigung werden natürlich ebenfalls
überwacht. Allerdings ist z.B. der Blutdruck nicht ganz so kritisch
wie die Herzfrequenz: immer dann, wenn sich diese ungeplant ändert –
sei es verlangsamt oder stark erhöht – ist akute Gefahr für den
Patienten in Verzug und das medizinische Personal muss schnellstens
eingreifen, um die Herzfrequenz wieder zu stabilisieren. Ansonsten
droht ein Kreislaufkollaps und im schlimmsten Fall der Tod des
Patienten. Wenn die Herzfrequenz nicht wieder unter Kontrolle
gebracht werden kann, sieht man auf dem Monitor üblicherweise nur
noch eine gerade Linie und hört einen unangenehmen Piepton, bis
jemand den Monitor ausschaltet...
Jetzt werden Sie sich sicherlich fragen, warum wir an den Anfang
eines Artikels über Stromversorgung die Lage auf einer
Intensivstation beschreiben. Wir meinen, dass sich das, was sich auf
den Intensivstationen in unseren Krankenhäusern abspielt, zu einem
gewissen Grad auch auf die Leitwarten in unseren Stromnetzen
übertragen lässt: auch dort werden die Vitalparameter der
Stromversorgung überwacht und bei Bedarf gesteuert. Während die
Spannung – sozusagen der „Blutdruck der Stromversorgung“ - durchaus
zwischen 220 und 240 Volt schwanken kann, ist auch hier der
wichtigste Parameter die Frequenz, mit dem der Strom zwischen einem
Maximum- und einem Minimumwert hin und her schwingt. In Europa macht
er das 50-mal pro Sekunde und – in Würdigung des deutschen Physikers
Heinrich Hertz – bezeichnet man das als 50 Hz. Diese Netzfrequenz
ist in unserem Beispiel mit der Herzfrequenz auf der Intensivstation
vergleichbar. Denn ähnlich wie auf den Intensivstationen können
bereits kleinste Abweichungen vom Sollwert von 50 Hz fatale
Auswirkungen haben. Sollte z.B. die Netzfrequenz auf einen Wert
zwischen 49,00 und 49,80 Hz abfallen, werden sofort alle verfügbaren
Leistungsreserven aktiviert, Reservekraftwerke (in der Regel
Gaskraftwerke) hochgefahren und Strom importiert. Sollte die
Netzfrequenz über 50 Hz ansteigen, so wird zwischen 50,20 und
51,50Hz – falls möglich – Strom exportiert und es kommt zu
Zwangsabschaltungen von Erzeugern, auch von Erneuerbaren. Sie sehen,
es sind recht kleine Abweichungen vom Sollwert, die bereits große
Eingriffe erfordern. Und wenn Sie sich jetzt fragen, was ist denn,
wenn die Netzfrequenz noch weiter absinken sollte, so sind die
Auswirkungen nur als dramatisch zu bezeichnen: Bei einer
Netzfrequenz zwischen 49,00 und 47,50Hz kommt es zu sogenannten
„Lastabwürfen“ – das sind nichts anderes als Zwangsabschaltungen von
Stromverbrauchern in großem Umfang - und bei Frequenzen kleiner als
47,50 Hz und größer als 51,50 Hz ist die Konsequenz ein „Blackout“ –
ein Zusammenbruch des Stromnetzes
[1].
Relativ geringe Abweichungen vom Sollwert von 50 Hz können also
verheerende Auswirkungen haben. Verheerend deshalb, weil es mehrere
Tage lang dauern kann, ein einmal zusammengebrochenes Stromnetz
wieder in Betrieb zu setzen.
Wie, Sie sind jetzt überrascht und wissen das nicht? Das kann schon
sein, denn diese Zusammenhänge sind nicht unbedingt Gegenstand der
Berichterstattung oder der „Wissenschaftssendungen“ bei ARD und ZDF.
Da erfahren Sie eher, dass das Sturmtief „Goran“, das im Januar 2021
über Deutschland hinweg zog, dem Windstrom einen neuen Rekord
beschert hat. Dass die Stromproduktion zwei Tage später landesweit
auf nur noch 20% des „Rekordwertes“ abgefallen ist, hat man in den
Medien dann nicht mehr gefunden.
Aber dafür werden Sie regelmäßig mit „Siegesmeldungen“ über den
erfolgreichen Vormarsch der Erneuerbaren Energien am Strommix
versorgt.
Da hören und sehen Sie dann z.B., dass Wissenschaftler des
Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE die
Jahresauswertung zur Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2020
vorgelegt und festgestellt haben, dass der Anteil der Erneuerbaren
Energien an der Nettostromerzeugung, d.h. dem Strommix, der
tatsächlich aus der Steckdose kommt, erstmals
bei mehr als 50 Prozent liegt
und dass die Windkraft (WKA) mit einem Anteil von 27 Prozent
an der Stromerzeugung dabei wieder die wichtigste Energiequelle
gewesen sei
[2].
Und Sie erfahren auch, dass von März bis September 2020 die
monatliche Stromerzeugung von Solar-Anlagen (SA) höher war als die
von Steinkohlekraftwerken, und dass im ganzen Jahr 2020 Solar- und
Windenergieanlagen (S&W) erstmals vor der Summe aller fossilen
Quellen (Kohle, Öl, Gas) gelegen haben. Ist es da nicht
verständlich, wenn Sie angesichts dieser Meldungen sagen: toll! Frau
Ministerin Schulze, Frau Baerbock und alle anderen
Windkraft-Befürworter haben Recht: wir sind auf einem guten Weg und
müssen schnellstens weiter ausbauen!
Nun, genau das ist mit derartigen Meldungen beabsichtigt. Man könnte
es auch Propaganda nennen.
Sie erfahren nämlich nicht, dass ein großer Anteil dieses Stroms ins
Ausland exportiert werden muss, weil wir den Überschuss im Land
nicht mehr verbrauchen können und bei Überlastung ein Netz-Kollaps
droht.
In 2020 haben wir 69 TWh in unsere Nachbarländer exportiert
[3].
Wenn diese den Strom nicht abnehmen und
verbrauchen wollen, versüßen wir die Abnahme dieser Überschüsse
schon mal, indem wir ein paar Cent für jede abgenommene
Kilowattstunde drauflegen. Sowas nennt man dann Negativpreis.
Natürlich zu Lasten der Verbraucher.
Solche Siegesmeldungen sind zunächst nicht zu beanstanden, wenn man
nur die Summen der W&S-Stromerzeugung für das gesamte Jahr
betrachtet. Dann stimmen die Aussagen. Was wir hingegen massiv
kritisieren, ist, dass nur ein Teil der „Wahrheit“ verbreitet wird
und in derartigen Meldungen immer nur Summen oder bestenfalls noch
Durchschnittswerte verwendet werden. Der alleinige Blick auf
Jahresproduktionswerte ist unvollständig und unseriös, denn Strom
wird nicht erst komplett am Jahresende benötigt, sondern immer – zu
jeder Sekunde, jeder Minute und jeder Stunde. Stellen Sie sich vor,
Sie bringen Ihr Auto in die Werkstatt, weil der Motor stottert und
die Zündung regelmäßig ausfällt. Nach erfolgter Reparatur erfahren
Sie, dass der stotternde Motor kein Problem sei, man könne im
Jahresschnitt trotzdem noch 18.000 km weit fahren. Sollte der Motor
mal nicht anspringen, könnten Sie immer noch mit Bus und Bahn
fahren. Letzteres nennt man gern „demand side management“ oder
Nachfragesteuerung.
Schauen wir uns daher die Produktion von Strom durch WKA etwas
genauer an:
Niemand kann und will ernsthaft bestreiten, dass es Tage gibt, an
denen es komplett windstill ist. Dann dreht sich landauf-landab
kein Windrad und kann folglich auch keinen Strom produzieren, egal
wie hoch die Summe des Windstroms am Ende, über das ganze Jahr
gerechnet, auch sein wird.
Es ist ebenso unstrittig, dass Wind nie konstant und gleichmäßig
weht, sondern sich seine Stärke ständig ändert. Fragen Sie einen
Hobby-Segler, der die Wasseroberfläche beobachtet und an einem
Kräuseln erkennt, dass sich eine Böe nähert und der Wind auffrischt.
Jetzt werden Sie vielleicht sagen, na gut, das mit der Windstille
sehe ich ein. Aber welche Rolle sollten denn kleinere Änderungen des
Windes spielen? Solange sich die WKA dreht, wird doch Strom
produziert, oder? Es tut uns leid, aber hier spielt uns die Physik
wieder einen Streich: sie legt fest, dass die Stromproduktion eines
Windrads nicht „einfach nur so“ von der Windgeschwindigkeit abhängt,
sondern dass sich die Geschwindigkeit in dritter Potenz auf die
Stromerzeugung auswirkt (Beispiel für die dritte Potenz: 2³ = 2x2x2
= 8).
Konkret bedeutet das: wenn die Windgeschwindigkeit sich von z.B. 6
m/sec (Windstärke 4) auf 12m/s (Windstärke 6) verdoppelt, dann
verachtfacht sich die Stromproduktion,
wenn sie
sich von 6 m/s auf 3 m/s (Windstärke 2) halbiert, sinkt sie auf 12%.
Die Stromproduktion schwankt dann ständig und zufällig zwischen 12
und 800%. Dabei fällt das tatsächliche Auf und Ab der
Stromproduktion noch größer aus. Es lässt sich mathematisch sehr
schön beweisen, dass die Schwankungen der Stromproduktion noch
deutlich größer sind
als die Schwankungen der Augenzahlen beim Würfeln
[4].
Stellen Sie sich vor, Ihr Stromversorger würde auswürfeln, welcher
Strom Ihnen täglich zur Verfügung steht: wenn er eine eins würfelt,
sind es maximal 200 Watt, bei einer zwei 400 Watt usw. Es wäre ein
einschneidender Eingriff in Ihr tägliches Leben. Kochen und Wäsche
waschen wäre z.B. nur noch an zwei Tagen in der Woche möglich. Und
Ihr Nachbar könnte Ihnen nicht aushelfen, er wird durch das gleiche
Kabel versorgt!
Das Stromnetz muss wegen der W&S-Anlagen gewaltige Schwankungen
verkraften. Und zwar immer und für alle WKA an Land und auf See, wie
das nachfolgende Diagramm sehr eindrucksvoll zeigt:
Abb. 1: Windstromproduktion in Deutschland JAN – DEZ 2020
Die Grafik stellt die Stromproduktion aller in Deutschland
vorhandenen WKA (onshore und offshore) in 2020 im Stundentakt dar.
Jeder Laie erkennt auf einen Blick, dass „Windstrom“ eine hochgradig
schwankende, volatile Angelegenheit und die Leistungseinspeisung
extremen Ausschlägen unterworfen ist. Wie oben erklärt, kommt hier
die Abhängigkeit der Stromproduktion von der dritten Potenz der
Windgeschwindigkeit zum Ausdruck. Erwiesenermaßen ist das ein
Problem, welches die gesamte Fläche Deutschlands betrifft
[5].
Die Problematik dieser Schwankungen soll beispielhaft durch einen
Blick auf die Wind-stromproduktion im Dezember 2020 nochmals
unterstrichen werden:
Abb. 2: Windstromproduktion im Dezember 2020
Die hier gezeigten Daten sind alle öffentlich verfügbar
[6][7],
leider finden sie in den Medien und in der Berichterstattung, aus
welchen Gründen auch immer, wenig Beachtung.
Statt die schwankende Stromproduktion im Blick zu haben, wird – wie
oben bereits kritisch angemerkt- mit Jahressummen und Mittelwerten
operiert. So hört sich z.B. der Mittelwert aller Einspeisungen für
den gesamten Monat Dezember 2020 mit ca. 15 Gigawatt auf den ersten
Blick gut an. Aber
es gab im Dezember auch Tage – wie z.B. am 10.12. um 16:00h - an dem
nur ca. 1,5 GW Strom erzeugt wurden. Im ganzen Land, wohlgemerkt!
Bei einer installierten Nennleistung von ca. 62 GW entspricht diese
geringe Einspeisung nur 2,4% der tatsächlich installierten
Kapazität. Auf der anderen Seite betrug die
maximale Leistung am
27.12. um 18:00h 44 GW, was einer Auslastung der installierten
Nennleistung von ca. 71% entspricht. Wie man sieht, ist die Angabe
von Mittel- oder gar Summenwerten in höchstem Maße irreführend! Sie
kennen bestimmt das Beispiel: Der Feuerwehrteich im Dorf hat eine
durchschnittliche Tiefe von 80 cm und trotzdem ist die Kuh darin
ersoffen…
Ein weiteres Ärgernis bei der allgemeinen Berichterstattung ist,
dass nur auf die Erzeugungs- bzw. die Einspeisungsseite geschaut
wird. Die Abnahmeseite kommt in der öffentlichen Diskussion nicht
oder nur am Rande vor. Dabei sind beide Seiten auf das engste
miteinander verknüpft: Weil der Strom augenblicklich verbraucht
werden muss, ist er das verderblichste Produkt, das wir überhaupt
kennen. Vereinfacht ausgedrückt: auf der einen Seite entnehmen die
Verbraucher – und das sind nicht nur die privaten Haushalte, sondern
die gesamte Industriegesellschaft – dem Netz die Strommenge, die zum
Betrieb eines elektrischen Geräts oder einer elektrischen Anlage
gerade benötigt wird und auf der anderen Seite müssen die
Stromproduzenten exakt die entnommene Strommenge in jedem Augenblick
einspeisen. Wenn auf der Verbraucherseite z.B. ein großer
Verbraucher dazukommt, muss die Stromversorgerseite in der Lage
sein, die zusätzlich benötigte Strommenge augenblicklich
bereitzustellen. Und umgekehrt. Wenn das nicht gelingt, dann kann es
zu den Problemen kommen, die wir eingangs beschrieben haben. Da
dieses Problem in Fachkreisen bekannt ist, wird mit Hochdruck an
möglichen elektronischen Lösungen geforscht.
Ob „smarte“ Lösungen zukünftig in der Lage sein werden, die oben
gezeigten Schwankungen des Windstroms auszugleichen und zu
„managen“, wird sich zeigen müssen. Derzeit stehen sie zumindest
noch nicht zur Verfügung. In unseren Augen kann „smart“ jedenfalls
nicht bedeuten, dass Verbraucher immer dann „abgeklemmt“ werden,
wenn auf der Einspeiseseite nicht ausreichend Strom zur Verfügung
steht. Solche „Lösungen“ gehören in Entwicklungsländern zum Alltag,
eine Industrienation wie Deutschland sollte darauf verzichten
können.
Werfen wir nochmals einen Blick auf die Stromerzeuger-Seite. Die
Aufnahmefähigkeit des Stromnetzes ist mit einer Spitzenlast von ca.
85 GW begrenzt. D.h., Strommengen, die über diesen Wert hinausgehen,
überlasten die Netze und könnten wie dargelegt zu deren
Zusammenbruch führen. (Durch eine Wasserleitung kann auch nicht mehr
Wasser transportiert werden, als die Rohre aushalten, ohne zu
platzen.)
Um das zu verhindern, müssen Strommengen, die diesen Grenzwert
übersteigen, „abgeregelt“, also abgeschaltet werden. Die
erforderlichen Eingriffe haben in den zurückliegenden Jahren mit dem
Ausbau von W&S massiv zugenommen. Mit jeder Erhöhung der Kapazitäten
müssen mangels Leitungen immer mehr Anlagen abgeregelt werden. Jede
nicht produzierte Kilowattstunde leistet keinen Beitrag mehr zur CO2-Einsparung.
Das System kannibalisiert sich selbst.
Für die Betreiber von „Windparks“ ist das Abschalten übrigens
weitgehend ohne finanzielle Folgen: sie erhalten eine Vergütung für
den „Ausfallstrom“. Sie erhalten eine Vergütung für Strom, denn sie
hätten produzieren können, aber nie produziert haben.
Für 2019 beziffert die Bundenetzagentur die „abgeregelte“ Menge mit
13,3 TWh. Diese Strommenge übertrifft den Stromverbrauch der Stadt
Hamburg. Für diese
Abregelungs-Maßnahmen wurden die Stromkunden über den Strompreis mit
einem Betrag von € 709 Mio. belastet. Zudem wird
bereits heute auf der Abnahmeseite eingegriffen: Großverbraucher wie
die Aluminium- und die Stahlindustrie werden – je nach Wetterlage
und Windvorhersage – gebeten, zu bestimmten Zeiten ihre
stromintensiven Anlagen nicht zu betreiben – natürlich gegen eine
entsprechende Entschädigung, versteht sich. Insgesamt gibt die
Bundesnetzagentur die vorläufigen Gesamtkosten für „Netz- und
Systemsicherheitsmaßnahmen“ für 2020 mit €1,4 Mrd. an
[8].
Tendenz steigend. Wer diese zahlt, ist auch klar: der Verbraucher!
Diese Praxis wollte der Gesetzgeber nach zweijähriger Beratungszeit
offensichtlich auf eine neue rechtliche Basis stellen. Wenn auf der
Versorgungsseite nicht genügend Strom zur Verfügung steht, dann muss
eben auf der Abnahmeseite die Entnahme entsprechend
zwangsweise
reduziert werden. Bis zum 15. Januar 2021 lief die Frist für
Stellungnahmen zum Referentenentwurf
„Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz“
[9].
Betroffen vom sperrigen Titel sollen künftig alle
Nutzer zumindest
von Wärmepumpen,
Stromspeichern, Nachtstromspeicherheizungen und Ladestellen für
Elektrofahrzeuge sein. Sie wären damit
zur Spitzenlastglättung
verpflichtet(!). Man sollte sich von dem Gesetzestitel nicht
irritieren lassen: es geht
um die Verwaltung des Mangels an Strom! Aus welchen Gründen
auch immer ist der Referentenwurf dieses Gesetzesvorhabens seit dem
14.01.2021 auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Energie nicht mehr abrufbar. Aber es ist zu erwarten, dass
dieser Entwurf spätestens bei einer Beteiligung der Grünen an der
nächsten Bundesregierung wieder hervorgeholt
wird.
Erste Stimmen, die „zum Verzicht“ aufrufen, sind jetzt bereits zu
vernehmen, denn Verzicht hätten wir doch in der Corona-Pandemie
wunderbar unter Beweis gestellt. Damit wäre dann nicht nur ein
weiterer Schritt in Richtung Ökosozialismus gemacht, sondern wir
würden uns in Sachen Stromversorgung Entwicklungsländern annähern.
Sie werden jetzt vielleicht die berechtigte Frage stellen, ob die
verantwortlichen Politiker in Bund und Land die aufgezeigten
Defizite einer W&S-Stromversorgung nicht kennen. Diese Frage können
wir klar und deutlich beantworten: sie kennen sie! Einer der Autoren
hat bei einer Anhörung in Berlin Bundeswirtschaftsminister Altmaier
persönlich darauf aufmerksam gemacht. Das Ergebnis ist mehr als
enttäuschend:
Nachdem in den letzten beiden Jahren der weitere Ausbau von WKA
deutlich abgenommen hat, fordern nicht nur diverse Lobbyverbände
lautstark, die Politik müsse dringend mögliche „Ausbauhindernisse“
beseitigen. Diese „Hindernisse“ sind in der Hauptsache Einsprüche
und Klagen von betroffenen Bürgern. Inzwischen ist dieser „Hilferuf“
der grünen Lobbyverbände durch die Bundesregierung erhört worden und
mit dem
„Investitionsbeschleunigungsgesetz“ soll der weitere Ausbau
insbesondere der Windkraft wieder Fahrt aufnehmen Dazu sagte
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: „Mit dem
Investitionsbeschleunigungsgesetz ist ein großer Schritt hin zu
schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren getan. Das ist ein
wichtiges Zukunftssignal für Deutschland als Investitionsstandort.
Und es ist für den Bereich Windenergie an Land zugleich ein gutes
Signal für die Energiewende. Mit dem Gesetz sorgen wir für eine
Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für
Windenergieanlagen an Land. So verkürzen wir den
verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug und damit auch die
Verfahrensdauer insgesamt.
Zudem entfällt bei Klagen gegen die Zulassung Windenergieanlagen die
sogenannte aufschiebende Wirkung von Widerspruch und
Anfechtungsklage. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag, um den
Ausbau von Windenergie an Land zu beschleunigen.“
[10]
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will inzwischen
ebenfalls mehr Flächen für den Ausbau von Windrädern in Deutschland
schaffen und hat Bewegung vom Koalitionspartner Union gefordert.
Schulze sagte vor wenigen Tagen der Deutschen Presse-Agentur: „Wer
ja sagt zu mehr Klimaschutz, der muss auch ja sagen zu mehr Strom
aus Wind und Sonne. Die entscheidende Stellschraube dafür ist, dass
mehr Flächen zur Verfügung stehen für Windräder. Zwei Prozent der
Landesfläche wären nötig.“
[11]
Wie Sie sehen, haben die verantwortlichen Minister offensichtlich
einfachste Zusammenhänge nicht verstanden, oder sie wollen es nicht
– aus welchen Gründen auch immer. Dabei stellt sich die Frage, ob
ein weiterer massiver Ausbau von WKA die oben beschriebenen Probleme
der Stromerzeugung durch WKA überhaupt lösen könnte. Die Antwort
darauf ist so einfach wie naheliegend.
Sie lautet eindeutig Nein!
Abb. 3: Stromproduktion bei verdreifachten W&S
Produktionskapazitäten
Nehmen wir einmal an, dass die Anzahl der WKA von heute ca. 31.000
um den Faktor 3 auf ca. 90.000 erhöht würde. Diese Erhöhung
entspricht übrigens der Empfehlung der Deutschen Akademie der
Technikwissenschaften, einer führenden Institution der
Ingenieurwissenschaften im Land
[12].
Sie hätte zunächst einmal zur Folge, dass bei Windstille nicht nur
31.000 WKA stillstünden, sondern 90.000. In dem oben in
Abb. 3
gezeigten Diagramm würde die Struktur der vielen Spitzen in gleicher
Weise erhalten bleiben – allerdings würde sich ein noch größerer
Regelungsbedarf ergeben: der oben genannte Spitzenwert könnte von
derzeit 44 GW auf ca. 180 GW ansteigen und läge damit deutlich über
der Aufnahmefähigkeit des Stromnetzes, bzw. des Strombedarfs. Der
erforderliche Regelungsbedarf – und die damit verbundenen Kosten
würden ebenso weiter massiv zunehmen wie das Risiko eines Blackouts.
Um zu erkennen, ob der geforderte massive Ausbau von W&S unser
Stromversorgungs-problem tatsächlich lösen könnte, hilft ein Blick
auf Europa. Leider zeigt das folgende Diagramm schon auf den ersten
Blick, dass dies auch keine praktikable Lösung darstellt:
Abb. 4:
Windstromproduktion in West- und Mitteleuropa
Man erkennt sofort, dass die Struktur dieses Diagramms mit dem,
welches die nationale Einspeisung zeigt (Abb. 1), praktisch
identisch ist: wenn wir alle bereits in Europa betriebenen WKA mit
einem Schlag nach Deutschland „verpflanzen“ würden, würde sich an
der Struktur der Stromerzeugung nichts ändern. Mit anderen Worten:
wenn in Deutschland wenig Wind weht, dann weht auch meistens wenig
Wind in allen anderen westeuropäischen Ländern – und wenn hier viel
Wind weht, dann ist das in den gezeigten Ländern ebenso. Dieser
Sachverhalt ist inzwischen eindeutig und zweifelsfrei mathematisch
bewiesen: Die Analyse bestätigt die Beobachtung
[13].
Auch unter Einbeziehung aller Windkraftanlagen aus 15 europäischen
Staaten ist also mit Windkraft eine zuverlässige Stromversorgung
nicht möglich. Daher stellt sich die Frage: warum sollten wir dann
weitere WKA in diesem Land aufstellen, wenn das Ergebnis bereits
absehbar ist? Abb. 3 und 4 zeigen eindrucksvoll, dass die von den
Lobby-Wissenschaftlern postulierte „Glättung“ der Stromproduktion
durch W&S-Anlagen bei ausreichend großer installierter Kapazität
bestenfalls Träumereien sind, die eindeutig ins Reich der Fabeln und
Märchen gehören
[13] [14].
Damit sind wir wieder zurück auf der Intensivstation. Den
Ingenieuren in den Leitwarten der Netzstationen stehen bereits heute
die Schweißperlen auf der Stirn, da sie ständig manuell auf der
Kraftwerks-Erzeugungsseite
eingreifen müssen, um Schäden am Netz, aber auch Schäden für das
ganze Land zu verhindern. Seit Jahren wird daher eine manuelle
„Strom-Zuteilung“ praktiziert. Man könnte es auch ökosozialistische
Mangelverwaltung nennen. Die Netzbetreiber beschäftigen heute
Meteorologen, die Vorhersagen zu den zu erwartenden Winden machen
müssen. Auf Basis dieser Vorhersagen werden die verschiedenen
Stromquellen für den kommenden Tag geplant. Wie gut diese
Vorhersagen sind, erfahren wir selber jeden Abend vor der
Tagesschau. Die Anzahl der manuellen Eingriffe beträgt inzwischen
6000 pro Jahr.
Zurzeit wird die Stromversorgung in diesem Land noch durch
wetterunabhängige Kraftwerke gesichert. Das ändert sich ab 2022.
Dann gehen die beiden letzten Kernkraftwerke vom Netz. Darüber
hinaus ist der Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossene Sache:
die Kohlekommission hat der Bundesregierung deren Beendigung bis
spätestens 2038 empfohlen. Diese Kommission bestand aus 31 Personen
und es wurde beklagt, dass nur 10 davon Frauen waren. In der
Kommission suchen Sie übrigens einen Fachmann für Stromnetze
vergeblich. Derartige Kompetenz war offensichtlich nicht gewünscht.
Dafür war jedoch Prof. Schellnhuber vom PIK (Potsdam Institut für
Klimafolgenforschung), der Christian Drosten der Klimakatastrophe,
namhaft vertreten
[15].
Angesichts der Entwicklung stellt sich für die Autoren nicht die
Frage, ob das Stromnetz ganz oder teilweise zusammenbricht, sondern
nur die Frage: wann. In dem Zusammenhang könnte es sich lohnen, den
Film „Blackout – Hessen ohne Strom“ anzusehen. Er ist in der
Mediathek des Hessischen Fernsehens noch verfügbar und erfreulich
sachlich gehalten
[16].
Liebe Leser, wir hoffen, dass wir Ihnen Erkenntnisse und Einsichten
verschaffen konnten, die Ihnen bisher nicht oder nur zum Teil
bekannt waren. Sollte uns das gelungen sein, würden wir uns über
eine weitreichende Verbreitung dieser Erkenntnisse freuen. Schicken
Sie diesen Aufsatz auch an Ihre Bundestagsabgeordneten
oder-kandidaten und fragen Sie diese, warum die GroKo und die Grünen
so versessen auf den weiteren Ausbau insbesondere der Windkraft
sind. Und bestehen Sie auf einer plausiblen Antwort!
Wir danken Herrn Rolf Schuster herzlich für die Bereitstellung der
Diagramme.
Elektrische Maßeinheiten:
Leistung:
1 Terawatt (TW) = 1.000 Gigawatt (GW) = 1.000.000 Megawatt (MW) =
1.000.000.000 Kilowatt (kW)
Arbeit
(= Leistung x Zeit)
= Last:
1 GW x 365 Tage x 24 Stunden = 1 GW x 8.760 h = 8,76 TWh
1 MW x 8.760 h = 0,00876 TWh
1 TWh = 1.000 GWh = 1.000.000 MWh = 1.000.000.000 kWh
„Intensivpatient
Stromversorgung“
-
Literaturverzeichnis –
[1] Frank Hennig
„Klimadämmerung“, S. 38/39
[3]
[4] Detlef
Ahlborn „Statistische Verteilungsfunktion der Leistung aus
Windkraftanlagen“
World of Mining – Surface & Underground 67 (2015) No. 4, S. 272-277
[5] Thomas LINNEMANN; Guido S. VALLANA,
„Windenergie in
Deutschland und Europa - Status quo, Potenziale und
Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1:
Entwicklungen in Deutschland seit dem Jahr 2010“ VGB Power Tech 6
/2017, S. 63
[7]
https://www.entsoe.eu/data/
[12] Ausfelder et
al.: »Sektorkopplung« − Untersuchungen und Überlegungen zur
Entwicklung eines integrierten Energiesystems (Schriftenreihe
Energiesysteme der Zukunft), München 2017.
https://www.acatech.de/publikation/sektorkopplung-optionen-fuer-die-naechste-phase-der-energiewende/
[13] Detlef Ahlborn „Principal component analysis of West European
wind power generation“ European Physical Journal Plus (2020) 135:568
https://doi.org/10.1140/epjp/s13360-020-00585-4
[14] Detlef
Ahlborn, „Glättung der Windeinspeisung durch Ausbau der Windkraft“
Energiewirtschaftliche Tagesfragen 65 (2015), S. 37-39
[15]
https://www.klimareporter.de/deutschland/das-sind-die-mitglieder-der-kohlekommission